Vom 8. bis zum 15. Juni 2023 fand die erste diesjährige Gartenreise statt, die eine wenig bekannte Region im Norden Frankreichs zum Ziel hatte: die Picardie. Selbst von vielen Franzosen wird die Region zwischen Paris und dem Ärmelkanal nur wenig beachtet und als langweilig und rückständig gering geschätzt (bekannt geworden ist die Gegend durch den Film „Willkommen bei den Schtis“), dabei hat sie in der Geschichte Frankreichs eine wichtige Rolle gespielt und kulturell sowie unter Gartenaspekten einiges zu bieten. So ist hier die Wiege der gotischen Kathedralen zu finden, deren Besuch auch auf unserem Reiseprogramm stand.
Zunächst einmal haben wir auf dem Reiseweg den Garten des Ehepaares Cluyssen-Pohlmans in Belgien besucht. Auf 2500 m2 haben die beiden viele unterschiedliche Gartenzimmer angelegt und diese mit etlichen besonderen Gehölzen und Stauden gefüllt. Dabei sind gekonnte und teils überraschende Kombinationen entstanden und insgesamt ein sehr individueller Garten, der die besonderen Vorlieben seiner Besitzer widerspiegelt.
Am Abend erreichten wir dann Amiens, die Hauptstadt der Picardie, deren Altstadt von ihrer beeindruckenden gotischen Kathedrale überragt wird. Hier trafen wir unsere Dolmetscherin Nicola, die aus Paris angereist war und mit der ich die Frankreichreisen immer gemeinsam organisiere. Unser Hotel war die alte Priorei der Kathedrale, so dass einige Mitreisende von ihren Hotelzimmern sogar einen Blick auf das imposante Bauwerk hatten.
Nach der langen Fahrt stärkten wir uns am Abend erst einmal im Restaurant Le Quai, wo uns – wie auch an den folgenden Abenden – typisch picardische Spezialitäten serviert wurden.
Am nächsten Morgen brachen wir dann auf, um die Region südlich von Amiens zu erkunden. Unser erster Garten war die Domaine de Verderonne. Hier gab es nicht nur einen charmanten Garten mit einem holländischen Gewächshaus aus dem 19. Jahrhundert zu entdecken, sondern auch ein barockes Theater, das noch original erhalten ist.
Ein fester Bestandteil unserer Frankreichreisen ist der Besuch von Produzenten landestypischer Spezialitäten wie Wein, Käse oder anderer regionaler Produkte. In der Picardie stand eine Brauerei auf unserem Programm, denn das Klima und die Nähe zu Belgien bringen es mit sich, dass Bier hier das typische Getränk ist. Pascal, der inzwischen stolz darauf sein kann, dass er das französische Parlament mit seinen handwerklich gebrauten Bio-Bieren beliefert, zeigte uns seine kleine Brauerei und ließ uns unterschiedliche Biere verkosten.
Entsprechend beschwingt ging es weiter zum Potager des Princes, einem Garten auf dem Gelände der historischen Fasanerie von Schloss Chantilly. Neben dem großen ornamentalen Gemüse- und Spalierobstgarten gab es hier eine Reihe von thematisch unterschiedlichen Gärten zu bestaunen und außerdem zahlreiche Tiere wie Geflügel, Kaninchen, Schafe und Ziegen.
Den folgenden Tag widmeten wir ganz der Stadt Amiens, die viel Interessantes zu bieten hat. Wir starteten mit einer Bootsfahrt durch die Hortillonages, die einzigartigen von Wasserläufen umgebenen Gärten am Rand der Stadt. Diese heute als Erholungsrort genutzten Kleingärten befinden sich auf einem Gelände, auf dem einst an die 1000 Gärtner Gemüse anbauten, das auf den Märkten der Stadt und bis nach Paris verkauft wurde. Heute gibt es nur noch eine Handvoll Hortllons, wie diese Gärtner heißen, und man muss auf dem Wochenmarkt in der Stadt gezielt nach vor Ort kultiviertem Gemüse Ausschau halten.
Der Nachmittag stand in Amiens zur freien Verfügung und wurde von den meisten Mitreisenden zunächst einmal für den Besuch der Kathedrale, der größten Frankreichs, genutzt.
Eine weitere Kathedrale stand am nächsten Morgen auf unserem Besuchsprogramm: die Kathedrale von Beauvais bzw. ihr Chor und das Querschiff. Die komplette Kirche wurde nie fertiggestellt, nachdem der offenbar zu hoch geplante Turm 1573 zusammengestürzt war.
Von hier aus suchten wir das zauberhafte Dorf Gerberoy auf, dessen Häuser über und über mit Rosen überwachsen sind, die gerade auf dem Höhepunkt ihrer Blüte waren.
Im Zentrum des Dorfes befindet sich der Jardin des Ifs, der Eibengarten, der so heißt, weil er von jahrhundertealten Formschnitteiben geprägt wird.
Unseren Mittagshalt machten wir bei der Bio-Käserei Beaudoin, die an diesem Tag ihr Hoffest feierte. Hier gab es köstliche, typisch picardische Käsesorten wie Bray Picard und Tomme au Cidre.
Zum Abschluss dieses Tages besuchten wir noch den Privatgarten Les Couleurs de l’Instant – die Farben des Augenblicks. Der Name des Gartens ist treffend gewählt, denn sowohl Farben als auch Stimmungen in diesem Garten wechseln stündlich mit dem sich ändernden Einfall des Lichtes.
Am folgenden Morgen nahmen wir dann Abschied von Amiens. Unser Weg führte uns an die Küste nach Le Tréport. Auf dem Weg dorthin schauten wir zunächst im Blumengarten von Digeon vorbei. Rund um einen Musterbauernhof aus der Zeit Napoleons III. und das kleine Schloss aus dem 19. Jahrhundert haben die heutigen Besitzer einen stimmungsvollen Garten angelegt. Insbesondere der Potager beeindruckte auf einer Fläche von 4000 m2 mit seiner alles andere als steif wirkenden Ordnung.
Le Jardin de LY, der Garten von Lisette und Yves (daher der Name), den wir danach aufsuchten, ist eine höchst individuelle Schöpfung mit häufig asiatischen Anklängen, und das nicht nur wegen der beeindruckenden Bonsai-Sammlung.
Le Tréport, der Badeort an der Küste, der für die nächsten Tage unser Standort sein sollte, ist bekannt für seine Kreidefelsen Europas, die die höchsten Europas sind. Als wir ankamen, war davon jedoch leider nichts zu sehen, denn die Felsen wurden von Seenebel verdeckt. Das änderte sich zum Glück in den nächsten Tagen, so dass wir nicht nur die weiße Kreideküste, sondern auch die bunten Häuser des benachbarten Mers-le-Bains bewundern konnten.
Beim Abendessen in der nahegelegenen Brasserie de la Côte wurden uns fangfrischen Meeresspezialitäten serviert, selbstverständlich auch hier typisch picardisch zubereitet.
Unter Gartenaspekten vielleicht der Höhepunkt unserer Reise war der Besuch der Gärten von Maizicourt am nächsten Tag, der durch seinen Ideenreichtum, die Harmonie der Pflanzenkombination und seine friedliche und entspannte Stimmung gleichermaßen beeindruckte.
Ganz anders dagegen die Gärten von Séricourt, mit ihren zahlreichen Formschnittgehölzen und bisweilen fantasievollen Kombinationen in den einzelnen Gartenteilen.
Am nächsten Tag erkundeten wir die Region nordöstlich von Le Tréport und besuchten die Gärten der Abtei von Valloires, die von dem international bekannten Gartendesigner Gilles Clémont gestaltet wurden. Im ausgedehnten Rosengarten konnten die unterschiedlichsten Sorten bestaunt werden. Auch hier hatten wir den richtigen Zeitpunkt perfekt abgepasst, blühten sie doch „aus allen Knopflöchern“.
Nach diesem Gartenbesuch machten wir einen Ausflug in das international bedeutende Vogelschutzgebiet Parc du Marquenterre. Hier, im Mündungsgebiet der Somme rasten und nisten viele bedrohte Vogelarten, und wir konnten aus nächster Nähe eine Lachmöwen- und eine Löfflerkolonie beobachten.
Auf der anderen Seite der Somme-Mündung befindet sich der pittoreske Küstenort Saint-Valéry-sur-Somme. Hier git es einen kleinen, von einem Verein betriebenen Kräutergarten an den Stadtmauern der historischen Stadt. Diese Mauern schaffen das perfekte Kleinklima für die wärmeliebenden Kräuter.
Nach dieser an Eindrücken reichen Woche hieß es am nächsten Morgen schon wieder Abschied zu nehmen. Als letzten Besuchspunkt hatten wir aber noch den niederländischen Garten De Goede Gard auf dem Reiseweg und unterbrachen unsere lange Fahrt auf das Angenehmste mit Käsebaguette und Törtchen aus einer Konditorei in Le Tréport. Unsere Gastgeber steuerten Tee und Kaffee sowie weiteren Kuchen dazu bei, und so bildete dieser letzte Besuch in dem noch jungen Garten mit herrlichem Blick über die Maas eine schönen Abschluss unserer Reise.